Unconditional Teaching start

Team-Teaching als Lehrformat für bessere Hochschullehre

Tyll Zybura, 14. Oktober 2022

Team-Teaching ist nicht nur ein Lehrformat unter vielen, von dem Studierende und Lehrende profitieren. Team-Teaching fördert beziehungsreiches Lehren und Lernen, unterstützt die Professionalisierung von Hochschullehre und schafft kooperative Fach- und Forschungskulturen. Team-Teaching ist deswegen eine notwendige Säule von besserer Hochschulbildung.

Katharina und ich haben schon während unseres Studiums begonnen, Seminare im Team zu unterrichten. Dabei haben wir unsere Lehre immer intensiv gemeinsam reflektiert und mit Blick auf unsere eigenen Bedürfnisse und in Reaktion auf das Feedback unserer Studierenden weiterentwickelt. Seit einigen Jahren geben wir Workshops, in denen wir Team-Teaching als professionelle Praxis vermitteln, und in diesen Workshops lernen wir wiederum aus den Erfahrungen von anderen Team-Lehrenden.

Im Oktober 2022 haben wir einen Ganztagesworkshop für das Hochschuldidaktische Netzwerk Mittelhessen (HDM) zum Thema „Interdisziplinäre Lehre & Team-Teaching“ gegeben, in dem es viele inspirierende Momente mit den Teilnehmer*innen gab. Diese Erfahrung hat für mich nochmal sehr deutlich gemacht, dass Team-Teaching nicht nur ein Lehr-Format unter vielen ist, von dem Studierende wie Lehrende profitieren, sondern dass es eine professionelle Kooperationsform ist, die wir für eine neue, bessere Hochschulbildung unbedingt brauchen.

Warum? Darum:

Team-Teaching fördert beziehungsreiches Lehren und Lernen

  • Beziehungsreichtum ist laut Felten & Lambert 2020 1 der wichtigste Faktor für den Studienerfolg von Bachelor-Studierenden. In Seminaren, die von Lehr-Teams unterrichtet werden, findet grundsätzlich mehr Kommunikation statt – zwischen den Team-Lehrenden und zwischen Lehrenden und Studierenden. Das erleichtert es, Beziehungen und Netzwerke aufzubauen, die förderlich für das Lernen und für das soziale Wohlbefinden von Studierenden sind.
  • Team-Teaching erhöht Möglichkeiten zu Teilhabe und Partizipation: Wenn Lehrende miteinander kooperieren, fördert das auch die Kooperation unter Lernenden, das wird in der Literatur zu Team-Teaching oft betont. Wir stehen als Lehr-Teams quasi Modell für Lern-Teams und unsere professionellen Umgangsweisen miteinander dienen Studierenden als Vorbild.
  • Team-Teaching erhöht Bedürfnisorientierung und Chancengerechtigkeit: Als Lehrende mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und unterschiedlichen Lehrstilen bieten wir mehr Bezugs- und Beziehungsmöglichkeiten für Studierende. Lernen ist sozial – in unserer Unterschiedlichkeit können wir unterschiedliche Lern-Bedürfnisse bedienen und Studierende können sich aussuchen, bei wem sie vielleicht mehr ‚andocken‘ können.
  • Nicht zuletzt schafft Team-Teaching ein besseres numerisches Betreuungsverhältnis und unterstützt dadurch Differenzierung. Zu zweit oder zu dritt (oder wie groß unsere Lehr-Teams eben sein können) können wir mehr Zeit mit kleineren Gruppen und individueller Kommunikation und Beratung verbringen.

Team-Teaching fördert Professionalisierung von Hochschullehre

  • Wenn wir in Teams lehren, sind wir immer wieder dazu aufgerufen, unsere präferierte Unterrichtspraxis explizit zu formulieren, unser didaktisches Handeln zu begründen und unsere Kriterien für Bewertung offen zu legen. Die bloße Notwendigkeit von Absprache mit unseren Team-Partner*innen in der gemeinsamen Sitzungsvorbereitung fördert Transparenz, Reflexion und Accountability – das macht uns zu besseren Lehrenden, weil wir in Kommunikation mit einem Gegenüber unser didaktisches Handeln schärfen.
  • Team-Teaching fördert damit auch die individuelle Weiterentwicklung von Lehre: Wir können von unseren Team-Partner*innen lernen, wir können Erfahrungen austauschen, Unterstützung geben und bekommen, gemeinsame Lösungen für gemeinsame Schwierigkeiten finden.
  • Nicht nur in interdisziplinären Teams, sondern auch in der Zusammenarbeit mit anderen Expert*innen unserer eigenen wissenschaftlichen Disziplin werden wir immer wieder auf Unterschiedlichkeiten im Fachverständnis stoßen. Das ist etwas Gutes, denn dann sind wir herausgefordert, unsere Prämissen und Positionen offenzulegen und zu formulieren. Wenn wir das vor und mit unseren Studierenden tun, fördert das deren Verständnis unserer Diskursgemeinschaft.
  • Team-Teaching innerhalb eines Fachs ist auch eine Möglichkeit, neue Lehrende ‚anzulernen‘, schnell zu professionalisieren und in die Fachkultur zu integrieren. Davon profitieren die individuellen Lehrenden, aber auch für die Fächer und die Institution im Ganzen ist es lohnend, ein solches ‚Teaching-Apprenticeship‘ von jungen Akademiker*innen zu unterstützen, denn es macht die Qualität von Lehre nachhaltig.

(Interdisziplinäres) Team-Teaching fördert die wissenschaftliche Fachkultur

  • Wenn Team-Lehrende ihre fachlichen Unterschiedlichkeiten explizit nutzen, um Positionen, Diskurse und methodische Zugänge ihrer Disziplin in Kontrastverhältnissen zu präsentieren, schärft das das Verständnis von Studierenden für ihre Disziplin. Das ist besonders effektiv in interdisziplinären Lernkontexten, wenn Lehrende und Studierende unterschiedlicher Disziplinen sich gegenseitig ihre theoretischen Prämissen und wissenschaftlichen Herangehensweisen erklären.
  • Neben dem positiven Lerneffekt kann es auch eine höhere Identifikation mit dem eigenen Fach schaffen, wenn Forschende in Ausbildung anderen Forschenden in Ausbildung die eigenen Zugänge transparent machen, sie begründen und rechtfertigen.
  • Das Gefühl von Zugehörigkeit zu einer Diskursgemeinschaft ist auch ein massiver Motivationsfaktor für Studierende (und uns selber). Wenn Studierende spüren, dass sie Teil einer klar erkennbaren aber vernetzten wissenschaftlichen Disziplin sind, vertreten durch kooperierende Menschen, bringen sie sich gern als forschende Menschen ein.
  • Durch den Fokus, den Team-Lehre und Team-Lernen auf Transparenz, Kritikoffenheit und Begründung von Positionen und Herangehensweisen legen, ensteht Widerstand gegen die Reproduktion von wissenschaftlichen Bubbles und hegemonialen Lehrmeinungen, die innovative Forschung ersticken. Stattdessen werden kreative Zugänge und holistisches Denken gefördert.
  • Letztlich verbessert die Kooperation in Lehr-Teams auch unsere kollegiale Fachkultur untereinander, denn sie stärkt den sozialen und den fachlichen Zusammenhalt, mindert Konkurrenzdenken und Ellbogenwissenschaft. So kann sich Team-Lehre produktiv auf unsere gemeinsame Forschungsarbeit auswirken: Team-Teaching fördert Team-Forschung.

In einigen Disziplinen und Studiengängen scheint kooperative Lehre in Teams, ob intra- oder interdisziplinär, ganz normal und üblich zu sein. In anderen ist sie wiederum selten oder gar unvorstellbar. Aus unseren Workshops (und aus unserer eigenen Erfahrung) wissen wir, dass es grundsätzlich wenig Unterstützung für Team-Teaching gibt – als ob Team-Lehre etwas knorrig Verspieltes ist, was einzelne Lehrende sich leisten, um sich das Leben leichter zu machen.

Aber Team-Lehre ist keine Arbeits- oder Zeitersparnis, sondern oft mit höherem Aufwand verbunden, weil gute Zusammenarbeit eben Zeit und Energie für Absprachen erfordert. Dass im Team gelehrte Seminare an vielen Hochschulen nur mit halbem Deputat angerechnet werden, ist bizarr. Die zahlreichen Mehrwerte von Team-Teaching, von denen ich oben einige gesammelt habe, werden nicht gesehen (weil es keine Strukturen gibt, die sie sichtbar machen können) und nicht gewertschätzt (weil gute Lehre generell zu wenig gewertschätzt wird).

Das muss sich ändern. Gerade reden wir im öffentlichen Diskurs wieder viel darüber, was in der Hochschulbildung anders laufen muss – dass wir mehr Offenheit, mehr Kooperation, mehr Chancengerechtigkeit brauchen. Team-Teaching ist ein Mittel, viele verschiedene Bedürfnisse einer neuen, besseren Hochschullehre abzudecken – aber nur wenn die Hochschulen es nicht bloß zulassen, sondern wenn sie es fördern und mit zeitlichen, materiellen und ideellen Ressourcen ausstatten.

Wir tragen mit unseren Workshops gern dazu bei, Team-Lehre an der Hochschule stärker zu professionalisieren und praktizierende oder angehende Team-Lehrende mit Erfahrung, Reflexionsanlässen und Kommunikationstraining zu unterstützen.


  1. Peter Felten & Leo M. Lambert. Relationship-Rich Education: How Human Connections Drive Success at College. John Hopkins UP, 2020. ↩︎

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